Dienstag, 10. Juli 2012

Abschied

»Gleich kannst du deinen Besuch empfangen«, sagte ein Friedenswächter, während ich es mir auf der Couch bequem machte. Als erstes kamen natürlich meine Eltern. Sie waren ungeheuer stolz auf mich. Mein Vater war genauso wie ich überzeugt davon, dass ich die Gewinnerin sein würde, meine Mutter schien an meinen Fähigkeiten zu zweifeln.
»Viel Glück, Clove«, sagte sie.
»Brauche ich nicht.«
Der Friedenswächter öffnete die Tür und sagte, dass deren Zeit zu Ende wäre. Meine Mutter umarmte mich halbherzig und mein Vater nickte mir zu. Als sie weg waren setzte ich mich wieder auf die Couch und betrachtete den Raum. Die Fenster waren nicht vergittert. In anderen Distrikten, falls sie Fenster hatten, war immer ein Gitter darüber, falls die Schwächlinge flüchten wollten. Hier in unserem Distrikt war es eine Ehre bei den Hungerspielen mitzumachen. Und man flüchtet nicht. Man macht es freiwillig, man will es.
Ich starrte auf die Tür als sie sich wieder öffnete und die Mutter von Glimmer und Marvel rein kam. Ich stand nicht einmal auf, soviel Respekt hatte ich vor ihr auch nicht, im Distrikt stand meine Familie weit höher als ihre. Sie blieb versteift vor der Tür stehen.
»Töte sie wenigstens schnell.« Mit den Worten verschwand sie. 

Meine Verbündeten

Das zweite weibliche Tribut wurde genannt. Glimmer Upton. Eine Klassenkameradin von mir. Schwäche: Nicht so guten Orientierungssinn, neigte früher zum Asthma. Von äußerlichen wirkte sie genauso wie ich, sie schaute emotionslos und bedankte sich am Distrikt für diese Ehre, aber in ihr war noch was menschliches. Dann wurden die männlichen Tribute gerufen. Marvel Upton.
»Oh, ein Geschwisterpärchen, wie aufregend!«, sagte Zonna. Dann erschien der letzte Name. Cato Black. Seine Eltern verstanden sich gut mit meinen. Doch er hatte dieselbe Schwäche wie Connor und Caite: Menschlichkeit. Das ist nur eine Schwäche. Man kann nur gewinnen, wenn man wie ich ist. Man muss abschließen mit dem Leben. Aber das hatte ich schon als ich klein war und die Hungerspiele mit verfolgt hatte. Es hatte mir Spaß gemacht, zuzusehen wie sie alle nach einander starben. Und ich wusste, ich würde dort mitmachen und hatte trainiert mit den anderen aus der Schule. Wie ein Karriero es eben tut.
Nun waren meine Verbündeten beisamen. Fürs erste würde ich sie noch am Leben lassen.

Ich bin es

Ich bin es. Ich bin das beste weibliche Tribut von Distrikt 2. War nicht anders zu erwarten. Jetzt ist es offiziell. Ich bin geboren worden um zu töten.
Mir wurde zugejubelt. Die Menge klatschte. Ich ging nach vorne, mit Friedenswächter begleitet und schritt die kleinen Stufen hoch. Zonna winkte mich zu ihr heran, zuerst lächelnd, danach schaute sie mich mit etwas größeren Augen an. Ich betrachtete sie kühl und stellte mich neben sie ans Podest.
»Unser erstes Tribut!«, rief sie ins Mikrofon und wollte nach meinem Arm greifen und ihn mit ihr in die Höhe strecken, doch ich kam ihr zuvor und zog ihn blitzschnell weg. Wehe sie fasste mich an. »Wie ihr wissen solltet, kann es bei diesen Hungerspielen keine Freiwilligen geben, da ich gewählt und nicht ausgelost wurdet. Also, möchtest du noch etwas zu deinem Distrikt sagen, Clove?«
ie machte mir Platz und ich schaute die Menge an die sofort aufhörte zu reden. Ich hatte nicht viel Zeit zu überlegen, was ich sagte, aber dann fiel mir was ein.
»Schöne Hungerspiele. Ihr werdet viel Spaß haben.«

Das beste weibliche Tribut

Die Woche verging wie im Flug. Jetzt standen wir alle unten am großen Platz. Der Tag der Ernte hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Frau mit der blau bemalten Haut namens Zonna schritt hinaus aus dem Präsidentspalast.
»Fröhliche Hungerspiele, und möge das Glück mit euch sein«, sagte sie. Sie zog das Mikro am Podest näher zu sich. »Heute erklären wir zwei mutige Jungen und zwei mutige Mädchen, die ihr erwählt habt als eure stärksten Krieger, als unsere Tribute für die 100sten Hungerspiele!« Ein Gebrüll ging durch die Menge und alle klatschten. Ich verhielt mich still. 
»Da ja keiner gezogen wird, werden die Name unserer Tribute auf der großen Leinwand erscheinen. Der erste Name der von dem Tribut erscheint, ist auch der Name, der mehr Stimmen hatte. Die Erwachsenen hatten insgesamt 4 Stimmen. Zwei für die männlichen und zwei für die weiblichen Tribute. Nun denn, Ladys first.«
Auf der Leinwand hinter Zonna erschien zuerst das Zeichen des Kapitols. Dann erschien ein Name.
»Rachel White, das erste Tribut von Distrikt 2. Bitte komm doch auf die Bühne.«

Letzte Gewinner

Mir war klar, dass ich eines der zwei Mädchen sein würde. Ich galt schon immer als gefährlich. Wenn es nicht so wäre, würden die anderen nicht von mir Abstand halten. Ich drehte mit galant um und die vielen “Kinder” machten für mich einen Durchgang und ich schritt hindurch. Das erste was ich jetzt vor hatte, war in die Straße der Gewinner zu gehen. Als ich aus der Masse heraus war, dachte ich an meine Rivalen und Verbündeten. Nach meiner Intuition würde ich nur mit meinem Distrikt verbündet sein, noch mehr Tribute wären zu viele. Und ich kannte sie. Ihre Schwächen und Stärken. Bald erreichte ich die Siegerstraße und an die letzten Gewinner. Wir gewannen fast jedes Jahr. Ab und zu war noch Distrikt 1 unter den Gewinnern, aber unseres sollte man nicht unterschätzen. Letztes Jahr gewann ein Junge aus unserem Distrikt namens Antwon. Er gewann durch Fallen stellen. Dann noch viele weitere. Aber einer der wenigen die mich beeindruckt haben, waren einmal Skills, er hatte alleine gekämpft und hinter den Tributen gelauert und ihnen dann einfach die Genicke gebrochen. Und dann gab es da noch die Katniss Everdeen. Sie war die unsichtbare Jägerin, so wurde sie jedenfalls in unserem Distrikt genannt. Sie versteckte sich in Baumkronen mit Pfeil und Bogen und schoss die Leute einfach alle ab. Jedes Mal als sie ein weiteres Tribut tötete, bekam sie ein weiteres Geschenk von den Sponsoren, so beliebt war sie. Sie konnte die ganze Zeit dort in den Bäumen bleiben. Ein kaltblütiges Vorbild. Sie war eine Macherin.
Ich ging durch die Siegerstraße, was sogar schon zum Viertel heran gewachsen war und schaute die vielen Häuser an. Mir war klar, dass hier auch bald eins für mich wäre, eins das verdeutlichte, dass ich die Gewinnerin der 100sten Spiele war. Ich würde sicherlich das schönste und größte bekommen. Und auf dem Briefkasten würde dann Clove Devine stehen.

Die Verkündung

Wir standen nun alle am großen Platz. Natürlich bekam ich einen Platz weit vorne. Leider musste ich mit den allen anderen zusammen in der Menge stehen, aber sie hielten alle mindestens einen Meter Abstand. Mit meinem Kleid hob ich mich vom Rest der Menschen ab. Ein Gong ertönte und ich lies meinen Blick kurz auf die Leinwand schwenken, wo das Logo des Kapitols erschien. Danach schaute ich wieder desinteressiert zu Boden.
»Die 100sten Hungerspiele. Welch ein Jubiläum! Doch ihr wisst, wieso es die Hungerspiele gibt. Früher war alles friedlich, bis sich Distrikt 13 auflehnte.« Ich hörte schon gar nicht mehr zu. Dieser Videoausschnitt, weshalb und wozu die Hungerspiele dienten und nützten waren allen bekannt. Nach der kurzen Ansprache kam die Live Übertragung von Präsident Mason. Alles wurde komplett still. 
»Willkommen bei der Ankündigung der 100sten Hungerspiele Panem! Nun denn, ihr wollt bestimmt alle wissen, was wir uns tolles einfallen gelassen haben«, sagte Präsident Mason selbstsicher. Er erzählte kurz, was bei den letzten Male alles dabei war, doppelte Anzahl und sogar die Gewinner mussten einmal antreten. »Und das diesjährige Hungerspiel, das besondere Mal, da werden wir die Tribute nicht den Zufall erlassen. Nein, ihr werdet eure stärksten wählen. Die stärksten Tribute. Und zwar die doppelte Anzahl.«
Lächelnd schaute ich hoch, strich mir die Haare aus dem Gesicht und lachte.

In meinem Zimmer


»Clove!«, rief mich meine Mutter. Sie kam in mein Zimmer gestürmt in einem seidenen Blutroten Kleid. Ich hob eine Augenbraue und schaute sie mit meinen ausdruckslosen Augen  an.
»Du liebe güte, siehst du toll aus.« Sie schritt auf mich zu, blieb vor mir stehen und berührte eine meiner braunen Locken. In meinem Distrikt galt ich als das hübscheste Mädchen. Braungrüne Augen und seidene dunkle Haare. Guten Körperbau und gut ernährt. Aber in unserem Distrikt waren größtenteils alle gut ernährt. Nicht wie diese elenden Distrikte 11 oder 12. Damit hatten sie schon verloren.
»Komm, wir müssen auf den großen Platz.« Mit den Worten verschwand sie wieder aus meinem Zimmer. Ich schritt zu meinem Balkon und schaute auf den großen Platz der nicht weit von unserer Villa war. Dort versammelten sich schon alle. Die möglichen Tribute waren im Vordergrund, während die Friedenswächter und die Eltern hinter einer Abgrenzung waren. Die Tribüne konnte ich nicht erkennen. Aber so wie sich alle dort versammelten, auf die neue Botschaft vom Kapitol vom Präsident Mason, knisterte in mir auch eine Anspannung auf.

Die Hungerspiele

Jedes Jahr werden aus jedem der zwölf Distrikte ein Mädchen und ein Junge im Alter zwischen 12 und 18 Jahren ausgelost, die sogenannten Tribute, die sich in einer Arena bis auf den Tod bekämpfen müssen, bis nur noch ein Tribut übrig ist. Die Spiele werden im Fernsehen in ganz Panem ausgestrahlt, wo sie jeder schaut. Die Hungerspiele werden wie ein Fest gefeiert. Bevor die Spiele beginnen, finden eine Wagenparade zum Trainingscenter der Tribute, ein dreitägiges Training mit den anderen Tributen und ein Interview statt. Nach dem Training findet ein Einzeltraining statt, wo die Spielmacher die Tribute mit einer Punktzahl von 1-12 bewerten. Dann gibt es noch die Sponsoren, die ein oder mehrere Tribute fördern und ihnen Sachen in die Arena schicken, damit ihre Überlebensquote steigt. Bevor die Spiele beginnen stehen die Tribute auf einer Platte die sich bei einer Kontaktlösung innerhalb des Countdown selbst in die Luft jagen. In jeder Arena gibt es ein Füllhorn mit Waffen und Rucksäcken etc. Dann beginnt es. Und wir dürfen anfangen zu morden.

Clove Devine

Noch eine Woche. Noch eine Woche bis die 100sten Hungerspiele beginnen. Das ganze Distrikt 2, mein zuhause, freut sich schon auf diese besonderen Hungerspiele. Heute wird angekündigt, was bei diesen Jubel-Jubiläums-Spielen sein wird. Viele hoffen, dass wieder eine größere Menge von Tributen mit machen sollen, damit mehr Blut fließt. Mir ist es egal, das Leben ist doch wertlos. Obwohl ich die einzige Tochter einer reichen Familie, der Familie Devine und damit vielleicht ein Ziel für eine Manipulation der Ziehung bin, wurde ich seit den 4 Jahren wo ich mitmachen durfte, noch nicht gezogen. Es würde sowieso keinen Unterschied machen, alle sind doch dem Tode geweiht. Und wenn ich mitmachen würde, würden sie durch meine Hand sterben.